Dieses Schreiben richtet sich an die Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung, die für die Auswirkungen der offenen Drogenszene auf das bürgerliche Leben rund um den Neumarkt und den übrigen Drogen-Hotspots der Stadt Köln verantwortlich zeichnen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
seit Jahren reißt die Berichterstattung über die Darstellungen der offenen Drogenszene und der damit verbundenen Belastungen für die Anwohner rund um den Neumarkt und den anderen Kölner Drogenhotspots nicht ab.
Situationsbeschreibungen in Wort und Bild liegen bereits in inflationärer Form vor und brauchen hier, was die Tagesabläufe und die daraus resultierenden Belastungen angeht, nicht näher beschrieben zu werden.
Strittig ist allerdings immer wieder die Bewertung dieser Zustände durch die Vertreter aus der Verwaltung und durch die Vertreter der verschiedenen im Rat der Stadt Köln vertretenen Parteien. Es wird immer wieder betont, dass Köln über ein qualitativ hochwertiges Hilfssystem für betroffene Drogenkonsumenten verfügt. Diese Hilfseinrichtungen werden durch die Konsumenten aber nur auf freiwilliger Basis in Anspruch genommen. Und damit gibt es auch einen großen Teil der Drogenabhängigen, die hiervon keinen Gebrauch machen. Aus diesem Kreis rekrutiert sich aber der extrem auffällige Teil der Drogenszene.
Im gleichen Dialog wird auch immer wieder darauf hingewiesen, dass es zu wenige Drogenkonsumräume und sonstige niederschwelligen Hilfsangebote wie Beratungsstellen, Schlafstellen, Aufenthaltsmöglichkeiten für die Betroffenen sowie nächtliche Unterbringungsoptionen gibt.
Und genau an dem Punkt des Dialogs eröffnet sich die Diskussion.
Wem muss zuerst und vorrangig wie geholfen werden?
Den betroffenen Konsumenten oder den ebenfalls betroffenen Nichtkonsumenten (Anwohner und Gewerbetreibende) bei dieser heiklen Gesamtsituation?
Festzuhalten ist, dass es für die betroffenen Konsumenten Drogenhilfssysteme gibt, unabhängig davon, ob sie ausreichend vorhanden sind. Für die betroffenen Nichtkonsumenten (Anwohner, Gewerbetreibende) gibt es im Gegensatz dazu kein vergleichbares Hilfsangebot. Sie werden mit den Problemen alleine gelassen und es wird anscheinend erwartet, dass sie sich auf irgendeine Art mit den drastischen Auswirkungen der offenen Drogenszene in ihrem Umfeld arrangieren. Aus Kreisen der betroffenen Anwohner wird immer wieder die Frage gestellt, wie die politisch Verantwortlichen, die Belastungsgrenze der Bürger im direkten Umfeld dieser offenen Drogenszene einschätzen und bewerten.
Ist die Belastungsgrenze erreicht?
Oder ist sie gar überschritten?
Oder geht da noch was?
Oder ist es vielleicht nicht sogar so, dass sich die Verantwortlichen diese Fragen zum Wohlergehen der Nichtkonsumenten erst gar nicht stellen?
Die Beantwortung dieser Fragen wird aber aufgrund der jüngsten Entwicklung in Bezug auf die vorhandene Drogenmenge und Qualitäten und insbesondere den Gebrauch von Crack mit all seinen negativen Auswirkungen auf die betroffenen Konsumenten, deren damit einhergehenden Verelendung und der damit verbundenen Zunahme der sichtbaren Drogenszene eine entscheidende Rolle spielen. Die Auswirkungen, wenn Fentanyl Einzug in die Kölner Drogenszene Einzug hält, werden die jetzt schon desolaten Zustände weiter verstärken.
Zur Verdeutlichung der Zustände rund um den Neumarkt legen wir Ihnen einige Aufzeichnungen in Form von Frequenzen einer Videoüberwachung eines Eingangsbereich eines Gewerbebetriebs bei, der einen Einblick in das nächtliche Treiben verdeutlichen soll.
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei den Aufnahmen lediglich um die Darstellung der nächtlichen Ist-Situation im Einzelfall handelt und es nicht um eine Bewertung der aufgezeichneten Personen geht.
So oder so ähnlich wird rund um den Neumarkt jede Nische bzw. jede Ecke, die Schutz bietet vor Wind und Wetter sowie vor Übergriffen jeder Art schützt, Nacht für Nacht genutzt. Alle nicht mehr benötigten Utensilien werden beim Verlassen der jeweiligen Aufenthaltsbereiche dort zurückgelassen. Was zu immer größerer Verschmutzung und damit zu einer weiteren Vermüllung des Stadtbildes führt.
Die Distanz zu einem Problem erhöht bekanntlich die Toleranzschwelle. Genauso gut wird ein nur temporärer Kontakt mit diesen Umständen auch zu einer erweiterten Toleranzschwelle führen.
Die allseits bekannten Schilderungen der täglichen Belastung und die zusätzlichen Erkenntnisse aus den Videofrequenzen, die das nächtliche Treiben dokumentieren, bestimmen das Leben der Anwohner rund um die Uhr, sieben Tage in der Woche und das seit Jahren.
Die Stadt Köln steht in der Verantwortung, den betroffenen Bürgern eine realistische Zukunftsoption aufzuzeigen, aus der die Betroffenen ihre persönliche Daseinsfürsorge ableiten können. Von den Inhalten dieser zu erarbeiten Zukunftsoptionen wird es abhängen, ob Anwohner und ihren Familien ihre Wohnungen in Neumarktnähe aufgeben werden, weil sie die Zustände durch die Drogenszene nicht mehr ertragen können. Hauseigentümer müssen entscheiden, ob sie ihre Immobilien mit Verlust veräußern, bevor der Verlust noch größer wird, weil Wohnungen und Gewerbeeinheiten nicht mehr oder nur noch schwer vermietbar sind. Ferner werden Unternehmen den Standort Neumarkt/Innenstadt aufgrund der prekären Situation verlassen (müssen).
Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schäden, die in den letzten Jahren durch die offene Drogenszene rund um den Neumarkt entstanden sind, sind erheblich. Hinzu kommen die Kosten für drogenspezifische Hilfsangebote wie einen Drogenkonsumraum beziehungsweise die Substitutionsambulanz in der Lungengasse.
Tausende von Einsatzstunden der Polizei sowohl des Ordnungsamtes, der KVB-Security-Mitarbeiter, die in der U-Bahn Sicherheitsleistungen erbringen, die Kümmerer, die auf dem Neumarkt tätig sind, plus Millionen Euro Aufwendungen für private Security und Sicherungssysteme der umliegenden Unternehmen.
Als Fazit muss festgestellt werden, dass trotz der durch die Stadt Köln ergriffenen Maßnahmen eine Verschlimmerung der Gesamtsituation nicht verhindert werden konnte und somit bei der Lösung der zukünftigen Probleme eines wachsenden Drogenkonsums in der Breite der Gesellschaft auch zukünftig nicht wirksam sein werden. Es ist eine Art der Realitätsverweigerung zu glauben, dass die anstehenden Probleme mit einer Erweiterung der Öffnungszeiten des Drogenkonsumraums zu erreichen sind. Auch zu glauben, dass eine Durchmischung der auffälligen Drogenszene mit der bürgerlichen Gesellschaft nach den Aufwertungen des Neumarktes durch Neugestaltungen (Brunnen, Bänke sowie Gastronomie) möglich ist, erscheint genauso unrealistisch. Es müssen also Lösungen gefunden werden, die den betroffenen Konsumenten genauso wie den betroffenen Nichtkonsumenten gerecht werden. Und zwar jenseits jedweder Ideologie bzw. Wunschdenkens, vielmehr gemessen an der tatsächlichen Realität der Probleme und der damit verbundenen realistischen Handlungsoptionen.
Für den Gesamtvorstand
Walter Schuch
Anbei Bildmaterial zur Verdeutlichung der Problematik: