Das u. a. Schreiben haben wir am 07.08.2025 an alle Parteien, die Anträge zur Neuaufstellung der Kölner Drogenpolitik in den Hauptausschuss des Rates der Stadt Köln eingebracht haben, versandt.
Hinsichtlich unserer Erfahrungen der letzten acht Jahre haben wir aufgrund der Ergebnisse hinsichtlich der Aufarbeitung der bisherigen Drogenpolitik berechtigte Fragen an Politik und Verwaltung.
Wir begrüßen die Inhalte der Anträge ausdrücklich, melden aber gleichzeitig im Detail Diskussionsbedarf an. Aus unserer Sicht als betroffene Bürger darf eine Wiederholung von Fehlentscheidungen zu Lasten der Anwohner rund um den Neumarkt sich nicht fortsetzen.
Vorab kann zur gestrigen Ratssitzung gesagt werden, dass die Diskussion im Hauptausschuss sehr vom Kommunalwahlkampf geprägt war und somit aus Sicht der Betroffenen und zahlreich anwesenden Anwohnern vom Ergebnis nicht befriedigend war.
Die von den Parteien vorgebrachten mittel- beziehungsweise eher langfristigen Maßnahmen helfen den Bewohnern in ihrer aktuellen Situation nicht. Zumal unsere berechtigte Forderung nach einem kurzfristigen, parteiübergreifenden Ziel, der Reduzierung der offenen Drogenszene, nicht thematisiert wurde.
Wir hoffen mit den Antrag stellenden Parteien in den nächsten Wochen – trotz Ferien und Wahlkampfterminen – das Thema „kurzfristige Lösungen“ am liebsten mit allen Vertretern der benannten Parteien besprechen zu können und gleichzeitig einige Fehlinformationen, die immer wieder in den Raum gestellt werden, ausräumen zu können.
Zu dem vom Sozialdezernat V, vertreten durch Herrn Dr. Rau, am vergangenen Freitag eingereichte Vorabkonzept, das bis Ende des Jahres inhaltlich und den Formalien entsprechend ausgearbeitet werden soll, werden wir in Kürze umfänglich Stellung beziehen.
Zu dem Themenkomplex empfehlen wir die aktuellen Veröffentlichungen hierzu im Kölner Stadt-Anzeiger sowie im Express.
https://www.express.de/koeln/koelns-crack-krise-17-millionen-plan-gegen-drogen-elend-1083832
Mit freundlichen Grüßen
Für den Gesamtvorstand
Walter Schuch
In den drei vorliegenden Anträgen, unterzeichnet von sechs Fraktionen der im Rat der Stadt Köln vertretenden Parteien, werden sehr ausführlich die Problemstellungen, verursacht durch die offenen Drogen- und Alkoholszene, geschildert. Es folgen eine Reihe von geplanten, in sich schlüssigen, Gegenmaßnahmen, die kurz- beziehungsweise langfristig die Sicherheitslage am Neumarkt und seinem Umfeld wiederherstellen und dauerhaft sichern sollen, die alle allerdings noch im Detail diskussionswürdig sind.
Grundlage aller Maßnahmen ist die Verlegung des Drogenkonsumraums und gegebenenfalls der Substitutions-Ambulanz an einen Standort außerhalb des unmittelbaren Neumarktumfeldes, der zusätzliche Hilfsangebote möglich macht, unter Nutzung der Synergien beider Suchthilfeeinrichtungen.
1. Umsetzung eines Drogenkonsumraums nach Vorgaben des Züricher Modells.
2. Schnellstmögliche Umsetzung offener Hilfsangebote, die bereits vom Rat genehmigt wurden.
3. Bedarfsermittlungen für Zusatzangebote wie z. B. „Not-Schlafstellen in Einzelunterbringung“.
4. Der Drogenkonsumraum in Kalk soll schnellstmöglich eröffnet werden.
5. Schaffung von Interimslösungen für Mülheim/Wiener Platz.
6. Erarbeitung kurzfristig umsetzbarer Maßnahmen zur Reduzierung der vielfältigen Belastungen und Risiken durch die offene Drogenszene (Schaffung einer Anlaufstelle für Crackkonsumenten in Neumarktnähe als Interimslösung???)
7. Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen für ein bereits vorliegendes Modellprojekt zur Abgabe von Substitutionspräparaten.
8. Schaffung von rechtlichen Rahmenbedingungen für das Ziel, den Konsum und die Beschaffung aus dem öffentlichen Raum in überwachte und sozial integrierte Einrichtungen zu verlagern.
9. Kostendarstellung in Bezug auf die genannten Vorhaben durch die Verwaltung unter Berücksichtigung der angespannten Haushaltslage. Gegebenenfalls müssten Mittel durch Verschiebungen innerhalb des Sozialetats freigestellt werden.
Im Anschluss folgen sehr ausführliche Begründungen, warum diese Maßnahmen jetzt nötig sind. Dazu finden sich Erklärungen, die den Sachstand und die jetzige Situation zwar treffend beschreiben, aber mit Begründungen, die nicht alle belastbar sind. Sie entsprechen nicht dem historischen Verlauf.
Von der Bürgerinitiative Zukunft Neumarkt e. V. wurden seit 2017 mehr als umfängliche Situationsschilderungen, Darlegungen des Sachstands, Erklärungen und Richtigstellungen in Bezug auf falsche Aussagen abgegeben. Grundsätzlich wurde die heutige Ist-Situation mehrfach vollumfänglich vorhergesagt.
Zusammenfassend können wir aus Sicht der Bürgerinitiative nur feststellen, dass alle Sachstandsbeschreibungen größtenteils von Politik und Verwaltung ignoriert wurden. Unsere Ausarbeitungen in den unterschiedlichsten Arbeitskreisen, die zur Verbesserung der sichtbaren Drogenszene und somit zur Entlastung des Umfeldes hätten beitragen können, wurden seitens des Sozialdezernats V ignoriert und in der Umsetzung sabotiert.
Wir als Bürgerinitiative begrüßen ausdrücklich die beschlossene Initiative fast aller Kölner Parteien mit dem Ziel, die Kölner Drogenpolitik komplett neu aufzustellen.
Aber zu jedem Neustart gehört grundsätzlich auch die Aufarbeitung der Vergangenheit, die viele Fragen aufwirft.
1. Warum wurde der Ratsbeschluss aus 2016, der den Aufbau eines dezentralen,den Anforderungen entsprechenden Hilfsangebotes zur Entlastung des Neumarktes beinhaltet nicht umgesetzt?
2. Wer oder was hat die Umsetzung dieses Ratsbeschlusses verhindert, obwohl auch 2016 eine mehr wie prekäre Situation vorlag?
3. Oder haben die verantwortlichen Personen sich aus ideologischen Gründen in der Umsetzung selbst im Wege gestanden?
4. Warum haben die politischen Gremien (Gesundheitsausschuss) die Umsetzung des Ratsbeschlusses nicht stringenter eingefordert?
5. Warum wurden die berechtigten Anfragen der unterschiedlichsten Parteien entweder gar nicht oder schleppend und inhaltlich unzureichend beantwortet?
6. Warum wurden die Ergebnisse der „FOGS-Studie“ (Kostenfaktor ca. 300.000,- €), die über dreieinhalb Jahre sehr detailliert eine Bestandsaufnahme zur Drogenproblematik Kölns in Gänze darlegte, nicht weiter entsprechend Ihren Ergebnissen und Forderungen umgesetzt. (Hier wurde den verantwortlichen Akteuren ein mehr wie ernüchterndes Zeugnis ausgestellt).
7. Warum wurden nicht die Mindestanforderungen gemäß § 7 der Betreiberverordnung umgesetzt?
8. Welche Aufgaben hat die Security in Bezug auf die Reduzierung von negativen Auswirkungen beider Suchthilfeeinrichtungen im Umfeld vertraglich oder tatsächlich zugewiesen bekommen?
Diese Aufarbeitung der letzten acht Jahre ist aus unserer Sicht schon deshalb zwingend erforderlich, da die handelnden Personen für den angestrebten Neustart einer Kölner Drogenpolitik die gleichen Personen sind, die auch für die Vergangenheit verantwortlich zeichnen.
Denn bekanntlich gibt es keine zweite Chance für den ersten Eindruck.
In Bezug auf die ausführlichen Forderungen an das neue Drogenhilfekonzept, inhaltlich und umsetzungsbezogen, gibt es aus unserer Sicht eine Reihe von offenen Fragen, die vor der konkreten Planung beantwortet werden sollten. Es stellt sich vor allem die Frage, ob die betroffenen Anwohner und Gewerbetreibenden wie bisher von einer Anhörung/Mitwirkung weiter ausgeschlossen werden sollen / dürfen.
Aufgrund der knappen finanziellen Mittel reicht es nicht aus, Summen in Millionenhöhe in den Raum zu werfen, ohne differenziert zu wissen, wie vielen leistungsberechtigten Personen welche Angebote in welchem Umfang und an welchem Standort gemacht werden.
Genau diese Frage musste als Voraussetzung zur Umsetzung des „Züricher Modells“ in Bezug auf die ca. 6.500 – 7.000 Drogenabhängige, die sich seiner Zeit in Zürich aufhielten, durch die Verantwortlichen beantwortet und geklärt werden.
Wenn das Ziel der angestrebten Gesamtmaßnahmen die Reduzierung der sichtbaren Drogenszene unter Wahrung sowohl rechtlicher, als auch humanitärer Aspekte und dem Recht der Anwohner auf angstfreie Nutzung des öffentlichen Raumes ist, ist eine genaue Definition des gesamten zu berücksichtigen Personenkreises (Drogen- , Alkoholabhängige sowie Obdachlose) zwingend erforderlich.
Für den Gesamtvorstand
Walter Schuch